Parties und Feten

Heute sind keine Elektivoperationen auf dem Programm. Bei der Visite geht es dem kleinen arabischen Mädchen mit den kaputten Hüftgelenken etwas besser. Die Schwellung am Oberschenkel ist etwas zurückgegangen und er is auch nicht mehr so überwärmt. Bronwyn hat grünen Tee vom Markt mitgebracht - mal sehen ob's etwas bringt...
Da im Krankenhaus alles ruhig ist, schließe ich mich der Geburtstagsparty am Fluss an. Wir fahren auf einem teilweise sehr schalen Fußweg mit dem hoffnungslos überladenem Geländewagen zu einer tiefen Stelle am Fluss wo man schön ins Wasser springen kann. Normalerweise würde mich ja nichts in diese Brühe bewegen, insbesondere wenn ich an all die Krankheiten denke, die nur darauf warten einen paranoide eurupäer ins Jenseits zu befördern...aber die Hitze siegt und ich springe über meinen Schatten direkt in die gelblich braune Brühe. Während des herrlich erfrischenden Bades ruft uns einer der einheimischen zu, dass hier gestern wohl Flusspferde gesichtet wurden und mir wird erklärt, dass die gefährlicher seien, als Krokodile! Mit etwas mulmigen Gefühl in der Magengegend klettere ich aus dem Wasser, werde aber trotzdem den Eindruck nicht los, dass man mich etwas verkohlt...da die anderen sich gar nicht in ihrem Bad stören lassen beschließe ich, dass ich heute nicht auf der Speiseksrte der Hippos stehe, die auch heute weit und breit nicht zu sehen sind, und springe noch ein paar mal beherzt ins Wasser und genieße das Leben. Nach dem Schwimmen gibt es süße Getränke, keckes und meine Müsliriegel, die ich so mühsam importiert habe.
Auf dem Rückweg erzählt mir Bronwyn über die vor und Nachteile der multikulturellen Sozialisation. Morgen wird sie für 6 Wochen zu ihrer Familie nach England fahren - nach 8 Monaten wieder zurück in die Zivilisation! Sie ist aber schon seit knapp zwei Jahren hier und ein endgültiges Ende nicht in Sicht.
"Über was soll ich mich mit meinen alten Freunden unterhalten - sie haben ja keine Ahnung, was hier los ist!" Die üblichen Gesprächsthemen zu Hause sind über das Fernsehprogramm, Kinofilme, Klamotten oder irgendwelche elektronischen Gadgets - so belanglos, wenn sie darüber nachdenkt, Wasser hier jeden Tag aufs neue in Tschad erlebt! Da ist die Mutter, die gut angezogen und wohl ernährt ihren 6 Jährigen Sohn zu Tode hungert, weil ihr Ehemann die zweite Frau mehr liebt als sie. Da ist das zwei jährige Mädchen, dass nicht einmal 4 kg auf die Waage bringt und jämmerlich an ihrer Malaria eingeht. Auf der anderen Seite sind da die Zwillinge ihrer einheimischen Freundin, die mühsam über Monate aufgepäppelt wurden und jetzt wieder zwei süße kleine Monchichis mit großen dunklen Augen aufgeweckt ihre Umgebung erkunden. Leben und Tod liegen hier so dicht beieinander...!
Nachmittags gehe ich nocheinmal zu meinen Sorgenkindern. Babma, ein junge von etwa 10 oder 11 jahren hat seit 4 Wochen eine schaffe Paraplegie mit einem sensiblen Niveau bei L4 beidseits ohne Pyramidenbahnzeichen und normalen Reflexen. Angeblich relativ akuter Beginn ohne Trauma. Auf Grund der lumbalen Schmerzen denke ich an einen intraspinalen Abszess, und so bitte ich um ein CrP, das dauert aber ne Weile... Nach ein paar Seifenblasen, die bei Kindern ja immer, hier aber besonders gut ankommen gehe ich weiter und werde von dem Emergency Pfleger abgefangen: "un probleme der nerve..." ich bekomme ein 15 Monate altes Kind vorgestellt, dass kaum etwas sehen kann, offensichtlich taub ist und noch immer nicht selbstständig sitzen kann. Bis auf einen Stabismus und einer etwas seltsamen, aber nicht zu großen Kopfform fällt mir nichts weiter auf - nicht wirklich ein neurochirurgisches Problem, trotzdem erkläre ich den Eltern, dass das Kind wohl mit einem Geburtsfehler auf die Welt gekommen ist, und ich dagegen genausowenig etwas machen kann, wie gehen seine oder meine Hautfarbe.
Danach wird mir ein HIV positiver, deutlich vorgealterter Mann mit Peroneusparese und beginnender Demenz sowie grauem Star vorgestellt - nach komplizierter Anamnese über 3 Sprachen stellt sich heraus, dass die Peroneusparese seit einem Unfall seines Knies vor 3 Jahren besteht. Auch hier kann ich nichts ausrichten...
Rolin zeigt mir einen Mann mittleren Alters mit einem, seit 3 Monaten, dicken Knie. Es besteht kein Druck- oder Bewegungsschmerz und bei Punktion findet sich kein Eiter, so dass wir von einem Tumor ausgehen, außerdem finden sich Lymphknoten in Leist, was die Diagnose noch wahrscheinlicher macht. Wie hilfreich wäre jetzt ein Röntgen!
Wir entschließen uns zusammen mit dem Patienten gegen eine OP, da wir ihn wahrscheinlich sowieso nicht mehr kurativ behandeln können und sein aktueller Leidensdruck bei fehlenden Schmerzen und vorhandener Gehfähigkeit eher gering ist.
Am Abend bin ich zu einer fare well Fete am Nutrition Center eingeladen, da dieses über den Jahreswechsel schließt und zwei der STudent Missionaries nach hause fahren. Beladen mit einem großen Eimer voll Gateaux, einem einheimischen kleinen Gebäck aus leicht süßlichem und fettigem Teig. Es ist schon dunkel, als wir mir dem alten Land Cruiser vorfahren. Die einheimischen sind schon da und sitzen, wie hier üblich, in zwei Gruppen - Frauen auf dem Boden und die Männer in etwas Abstand auf der Mauer. Nach der allgemeinen Begrüßung mit Händeschütteln werden die Trommeln herausgeholt und mit zackigem Rhythmus und dem Afrika typischen Gesängen wird für die nächsten zwei Stunden um die Trommler herumgetanzt. Die etwas ungeschickten anfangsversuche der rhythmischen Schulterzuckungen die zu dem Gestampfe dazugehören werden von den Frauen mit lautem Gelächter begleitet. Obwohl ich nicht ein einziges Wort verstehe, werde ich von der Lebensfreude und Freundlichkeit dieser Menschen in den Bann gezogen. Von dem tanzen wird soviel staub aufgewirbelt, dass es sehr dichtem Nebel gleichkommt.
Ich benetze meine trockene Kehle mit ultrasüßem Tee und gehe ein paar Meter weiter hinter das nächste Haus und bestaune den Wahnsinnssternenhimmel. Ich muss an Abraham denken, dem von Gott so viele Nachkommen, wie Sterne am Himmel versprochen wurde...was für eine Verheißung, und sie ist wahr geworden, auch wenn er sehr lange auf seinen Sohn warten musste. Immerhin war er schon 100, seine Frau Sarai 90 Jahre alt, als ihr Sohn Isaak geboren wurde. Ich frage mich, ob ich so viel Geduld aufbringen könnte, auf eine Verheißung Gottes zu warten und beschließe, das nicht wirklich herausfinden zu wollen - wenn ich es muss, wir ER mir sicher das Durchhaltevermögen schenken...






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