Behördengänge

Heute war der Tag der wichtigen Leute. Nachdem gestern der Polizeichef und der District Doctor nicht persönlich anwesend waren verabrede ich mich mit Benzaki um 9:00 Uhr um mit ihm auf seinem Motorrad noch einmal an den entsprechenden Stellen vorbeizufahren.
Vorher aber machen wir noch schnell Visite. Zu meinem Erstaunen geht es unseren Post Ops recht gut: die Frau mit der Uterusruptur konnte aufstehen und der Bauch war schön weich. Sämtliche Prostatektomien sind gut verheilt, fieberfrei und auch bei unserem Kuckucksei von gestern Abend scheint die Spülung auch die ganze Nacht gelaufen zu sein...wir können guten Gewissens 6 Patienten entlassen, was bei dem heutigen OP-Programm auch bitter nötig ist...
Besonders erfreulich der kleine Junge, der eine urethro-scrotale Fistel repariert bekommen hat.
Nach ein paar weiteren Verbandswechseln drucke ich noch schnell meine Approbations- und Facharzturkunde samt englischer Übersetzung aus und schwinge mich mit Ben auf sein Motorrad. Zuerst geht's zum Polizeichef, ein gut gekleideter, hochgewachsener Mensch mit ebrnmäßigen Gesichtszügen und einer gewissen Arroganz, die ich bei allen Funktionsträgern heute beobachte. Dass er allerdings meinen Pass dabehalten will bereitet mir etwas Unbehagen - aber ich habe wohl keine Wahl!
Anschließend geht's noch einmal zum District Doctor. Draußen vor der Tür sitzen ein paar Männer und haben scheinbar nichts zu tun. Nach einer kurzen Wartezeit treten wir ein und der DD erklärt mir, dass viele selbsternannte Spezialisten herkämen und Medizintourismus betreiben, die in Wirklichkeit gar keine richtigen Ärzte seien. Er müsse nun sicherstellen, dass meine Urkunden auch wirklich echt seien. Mit prüfender Miene starrt er so lange auf die Dokumente, dass ich mich frage, ob er sie auswendig lernen will...am Ende jedenfalls macht er ein zufriedenes Gesicht und hält mir einen Vortrag über die Schwierigkeiten des Gesundheitssystems im Tschad. Schön denke ich mir, jetzt nichts wie raus und zurück in den OP, da regt er am Schluss noch an, doch den Repräsentanten des Gesundheitsministers in Lai aufzusuchen um dort persönlich vorzusprechen weil ich ja Neurochirurg sei. So ein Mist! Lai ist zwar nur 20km weit weg, aber die Straße dorthin ist wohl noch schlechter als die nach Kelo, weshalb die 20km im Auto mindestens eine Stunde in Anspruch nehmen. Nach ein paar Diskussionen entscheiden wir uns für das Motorrad in der Hoffnung etwas zügiger damit durchzukommen.
Ich stelle fest, es geht in der Tat etwas flotter, aber als Sozius sind die Schlaglöcher auch kein wirklicher Spaß.
Wäre ich selbst am Lenker sähe das sicher anders aus und ich beschließe, sollte ich hier einmal längere zeit verbringen, ich mir eine vernünftige Enduro mitbringen werde...immerhin wurde ich schon gefragt, was mich dazu bewegen würde, länger hier zu arbeiten - die Antwort ist einfach: so lange Nina und Anna mich noch brauchen steht ein solcher Gedanke nicht zur Disposition...
Und schon gehen mir die beiden wieder durch den Kopf...sie hätten mit Sicherheit ihren Heidenspass hier und es wäre eine besondere, lebensprägende Erfahrung für sie...meine Gedanken schweifen weiter und es gehen mir noch weitere Personen durch den Kopf...was braucht es, um hier nicht nur zu überleben, sondern die Zeit hier auch zu genießen? Was braucht es, von den eigenen Ansprüchen an Luxus zurückzustecken, etwas von meiner eigenen Bequemlichkeit für jemand anderes, potentiell sogar Unbekannten, zu opfern? Oder sind am Ende all dieser Auslandshilfseinsätze wieder nur egoistische Motive! Ich weiß es nicht! Wahrscheinlich ist es eine sehr komplexe Kombination aus vielen Faktoren.
Naja, während ich so meinen Gedanken nachhänge halte ich mich am Gepäckträger fest und genieße die Landschaft, bis wir schließlich in der District Hauptstadt ankommen.
Das Gesundheitsministerium ist gleich am Anfang der Stadt und nach ein bisschen herumfragen finden wir der Gesundheitsoberfuzi in seinem Haus in der Nachbarschaft. Es ist ein sympathischer Mann mit einem recht vernarbten Gesicht und dieser behördlichen Überlegenheit, die mir aber dieses mal nicht so unangenehm aufstößt wie an anderer Stelle. Er wirft nur einen kurzen Blick in meine Papiere und gibt mir dann seine Kontaktdaten für alle Fälle - eine nette Geste, man weiß ja nie! Er erzählt mir kurz von der einzigen Neurochirurgin des Landes, eine Russin, die im 450km entfernten N'Djanema praktiziert und wie schwer es ist, bei ihr einen Termin zu bekommen.
Nach 20 Minuten sind wir wieder draußen auf dem Weg zu einem Radiomann, der auf Geheiß des Gesundheitsministers bekannt geben soll, dass es für die nächsten zwei Wochen einen Neurochirurgen in Bere geben wird.
Meine Bedenken in Bezug auf meinen wirklichen Nutzen in Anbetracht der limitierten Ressourcen behalte ich für mich...
Ich schätze ein bisschen gute Presse für das Krankenhaus kann nie Schaden...nicht einmal hier, wo wir uns vor Patienten kaum retten können...wer weiß, was sich für Gelegenheiten aus diesen Begegnungen ergeben. Nach einem kühlen und erfrischenden Malzbier machen wir uns wieder auf den Rückweg.
Etwa 7 km vor Bere macht sich ein immer lauter werdendes Quietschen bemerkbar, dass wir schiss bekommen es überhaupt noch bis nach Hause zu kommen - 7 km könnte man zwar auch zur Not laufen...aber wirklich Lust hatten wir beide nicht darauf...
Mit qualmendem Hinterrad fahren wir in Bere ein und halten auf dem Marktplatz, wo auch der Mechaniker sein Domizil hat, an. Bis zum Krankenhaus sind es noch immer etwa 3 km und ich denke so bei mir: "wenn die jetzt in der berühmt berüchtigten afrikanischen Geschwindigkeit das Hinterrad auseinandernehmen werde ich diese letzten km wohl laufen müssen. Ich muss aber innerlich Abbitte tun! Zwei Mechaniker widmen sich wortlos dem Problem von beiden Seiten des Motorrades und ohne eine einzige überflüssige Bewegung in schlafwandlerischer Sicherheit haben sie in Null,nichts das Hinterrad ab, die Trommelbremse offen und das Problem identifiziert, eine von zwei kleinen Federn ist gebrochen. Eh ich's mich versehe ist die Feder ausgetauscht und das Hinterrad wieder dran - whow, ich bin beeindruckt!
Am Krankenhaus angekommen werde ich gleich abgefangen, ich solle mir ein "Problem de nerve" ansehen. Ein etwa 75 jähriger Mann mit einem schweren M. Parkinson. Ich frage den Apotheker ob es hier denn überhaupt levodopa gibt und als er bejaht, schreibe ich ihm 2x250mg auf und hoffe, das seine Leber und Niere in Ordnung ist...ma gucken was passiert. Wenn wir die Symptome wenigstens etwas besseren können, ist dem Patienten schon sehr geholfen...aber was hat das mit Neurochirurgie zu tun?













Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen