Moundou

Heute stehen wir früh auf, um in Moundou, der zweitgrößten Stadt des Landes zwei Tibiafrakturen mit je einem Sign-Nagel zu versorgen. Der Chirurg vor Ort hat keine Erfahrung mit orthopädischer Chirurgie...
Wir kommen tatsächlich um kurz nach sechs Uhr los. Wir, das sind Rollin (mein hiesiger Mentor), Jamie (der Maintenance Director), Benzaki, der als Übersetzer auch ein paar Besorgungen machen soll, Simeon, einer der OP Pfleger, der seinen Gehaltsscheck bei der Bank einlösen will, und ich. Nach eineinhalb Stunden sind wir zunächst in Kelo, der nächstgelegenen Poststation, um nach ein paar Carepaketen zu fragen, die sehnlichst erwartet werden. Sorry an alle, die eine Postkarte von mir erhofft hatten, aber selbst hier gibt es so etwas nicht, ihr werdet euch eben mit diesem Blog begnügen müssen, {begin winkmitdemzaunpfahl} oder mich zu euch einladen, bzw. mich besuchen, um weitere Bilder zu sehen ;-)
{end winkmitdemzaunpfahl}
Die Straße von Kelo nach Moundou ist ab jetzt wirklich gut - für afrikanische Verhältnisse, so dass wir nach drei Stunden Fahrzeit in dem kleinen "Centre Chirurgica de Adventiste de Moundou" ankommen. Die zwei Tibiafrakturen stellen sich als eine 4 Monate alte dislozierte Unterschenkelfraktur mit massiver Kallusbildung, die andere als drei Tage alte völlige Zertrümmerung des distalen Oberschenkels heraus. Letztere entzieht sich jedweglicher operativen Therapie, bis auf die Spickung des Unterschenkels zum Anbringen der Distraktion. Obwohl ich kein Traumopäde bin, kann ich mit nicht vorstellen, wie man das selbst in Deutschland oder USA vernünftig versorgen will in Ermangelung einer halbwegs soliden Befestigungsmöglichkeit. Und selbst wenn etwas theoretisch möglich wäre, scheitert es ganz praktisch an den mangelnden Implantaten.
Wir wenden uns also der Tibia zu, während sich eine Person im OP auf Fliegenjagt begibt. Den Kallus zu entfernen ist mit nur einem stumpfen Rongeur echte Arbeit, aber schließlich haben wir uns die beiden Enden der Tibia ganz dargestellt. Die Reposition gestaltet sich erwartungsgemäß schwierig, aber schließlich haben wir das distale Ende von proximal aufgefädelt und die Halteschrauben eingebracht. Dummerweise war das ja eine offene Fraktur, und die Haut über und um die beiden Zweieurostück großen Defektstellen ist nicht die beste. Wir beschließen, erst einmal Ruhe reinkommen zu lassen und adaptieren die Wundränder nur lose. Eine plastische Deckung kann später immer noch erfolgen...
Als letztes wird uns noch ein Polytrauma vorgestellt mit Symphysensprengung und Sternumfraktur und vermutlich auch ISG-Affektion. In Ermangelung vernünftiger diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten bekommt er nur eine Zerklage der Symphyse.
Man hat schon gemerkt, dass dieses kleine chirurgische Zentrum noch sehr Jung ist (etwa 4 Monate), denn die Wechselzeiten sind extrem lange.
Wir nutzen die Zeit und sehen noch einige Patienten: eine noch relativ junge Frau mit einem monströsen Oberschenkeltumor, der wohl vom Knochen ausgeht und die Haut so sehr spannt, dass sie glänzt. Hier können wir nichts mehr tun, denn der Tumor reicht bis in das Becken! Eine andere Frau stellt sich mit einem fortgeschrittenen Zervixkarzinom vor. Der Tumor ist so groß, dass er fast die ganze Scheide ausfüllt und einmauert. Auch hier können wir nichts mehr tun. Eine weitere Patientin hatte eine offene Wunde in den letzten Monaten von einem traditionellen Heiler behandeln lassen mit dem Ergebnis, dass nun der gesamte Unterschenkel abgestorben ist und nur die Amputation oberhalb des Knies übrig bleibt. Sie entschließt sich gegen eine OP und geht...na dann gute Nacht!
Auf dem Rückweg lobe ich Simeon in den höchsten Tönen und übertreibe dabei nicht! Im Vergleich zu Bere geht es in Moundou drunter und drüber. Dieses Team muss sich wirklich noch einspielen, während unsere beiden Jungs in Bere fast
wortlos wie geschmiert zusammenarbeiten. Das Einzige, was sie noch verbessern könnten wäre, die Spinalanästhesie des nächsten Patenten schon im Vorraum zu legen, während wir die Haut verschließen.

Nachtrag:
Seit dem Tag darauf haben unsere beiden Jungs, Simeon und Endelbe, das umgesetzt, so dass die Wechselzeiten nun so schnell sind, dass wir zwischen den OPs kaum noch Luft holen können, jedenfalls ist an ein kleines Konsil zwischendurch überhaupt nicht mehr zu denken...was hab ich da bloß angerichtet ;-)





























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