Weihnachten

Während ich so im Bus nach N'Djamena Sitze lasse ich meine Gedanken schweifen. Eigentlich eine recht passende Weihnachtsbeschäftigung, wenn man bedenkt, dass vor über 2000 Jahren ein junges Paar auch auf Reisen sein musste - und ich bin sicher, dass ihr Esel nicht so bequem war...und das auch noch mit einem dicken Bauch...
Heute morgen jedenfalls habe ich den zweiten (und letzten Bus) genommen, da ich ja eh erst um 23:55 Uhr fliegen werde, womit die Nacht nicht ganz so kurz war. Da ich ja gelernt habe, das die Busse in Afrika abfahren, wenn sie voll sind und nicht zu einer bestimmten Zeit, sind Rollin und ich also schon um 7:00 Uhr nach Down Town Bere gefahren und konnten in Ruhe das Treiben beobachten. Wir werden von vielen Menschen freundlich angelacht und bekommen von dem arabischen Boss des Busunternehmens zwei Stühle angeboten. Als der Bus dann endlich so gegen 8:00 Uhr aus Lai eintrifft startet zunächst ein Gerangel um die besten Plätze - dieses Mal bin ich am Fenster direkt hinter dem Fahrer und ich merke schnell, warum dieser Platz nicht so begehrt war: hier hat man am wenigsten Platz für die Füße, da dort der Motorraum beginnt, der zu allem Überfluss im Laufe des Tages eine zunehmend unangenehme Wärme abstrahlt...wenigstens sitze ich nicht auf den Klappsitzen in der Mitte, deren Lehne nur knapp über die Lendenwirbelsäule reicht...
Nachdem also mein Platz gesichert ist, schaue ich dem Beladevorgang des Gepäcks zu. Anfangs traue ich meinen Augen kaum, als ich drei lebendige Ziegen und mehrere Hühner auf dem Dach des Busses entdecke. Ein Hahn macht einen besonders bemitleidenswerten Eindruck, da er nicht wie die anderen Hühner in einem Korb untergebracht ist, sondern einfach mit beiden Füßen festgebunden wurde. Diese arme Kreatur hat es mit Sicherheit noch unbequemer als ich...ich bin mal gespannt, ob er wenigstens diese Busfahrt überlebt und beschließe, ihn für heute Henry zu taufen...


Nach etwa 25 Minuten ist alles verstaut und wir verlassen Bere um kurz vor halb neun. Nach etwa 45 Minuten, ca. 7km vor Kelo bleibt der Bus auf einmal stehen und nach einer kurzen Inspektion heißt es nur "une panne..." Alle steigen aus in machen es sich im Schatten am Straßenrand bequem.


Zeit für mich, mit den beiden Säuglingen im Bus zu schekern, was zu allgemeinen Erheiterung beiträgt...dieser kleine Kerl, etwa 7 Monate alt, ist besonders knuddelig und scheint keine Angst vor dem Weißen "Nasara" zu haben.


Das Krähen des armen Henry klingt mittlerweile recht matt und er steht auch nicht mehr aus seinen Füßen sondern hängt kopfüber vom Dach herab. Ab und zu versucht er, sich mit ein paar Fügelschlägen in eine angenehmere Position zu bringen, was ihm aber leider nicht gelingt. Ich muss unvermittelt an eine gute Freundin denken, die bei diesem Anblick sicher den Besitzer gehörig zur Schnecke gemacht hätte, aber ich schätze die würden meine Bedenken überhaupt nicht nachvollziehen können! Hier sind Tiere (und leider allzuoft auch die Frauen) eben Gegenstände, wie Autos - obwohl mancher Deutscher sein Auto besser behandelt als dieser arme Hahn...Hmm und während ich das Schreibe habe ich die Befürchtung, dass auch bei uns mancher Ehemann sein Auto/Boot/Hobby wichtiger nimmt, als seine Frau...
Ich hoffe, dass wenigstens gerade in diesen Tagen vielleicht die Wertschätzung der Menschen um uns herum die Überhand bekommt. Wie schön wäre es, wenn wir diese Wertschätzung aber nicht nur zu Weihnachten, sondern an jedem Tag des Jahres zeigen würden!

Nach etwa zwei Stunden trifft der Ersatzbus ein und das Gepäck wird Umgeladen - Gelegenheit für Henry die Welt wenigstens für ein paar Minuten aus der richtigen Perspektive zu sehen...


Ein Gutes hatte diese Panne: der neue Fahrer bot mir den Beifahrersitz an, den ich dankend annahm. So konnte ich während der Fahrt einige Landschaftseindrücke festhalten...


In Kelo steigt dann noch ein junger Literaturstudent zu, mit dem aber auf Grund meiner mangelhaften Französischkenntnisse und seines nicht viel besseren Englischs, nur eine rudimentäre Unterhaltung möglich ist. Ich genieße jedenfalls die Aussicht von meinem bevorzugten Platz. 
In Bongor haben wir eine Stunde Pause, da ich aber anfangs von einer halben Stunde gesprochen wurde, bleibe ich in der Nähe des Busses. 
Unser Fahrer ist, wie viele mitreisende auch, Moslem. Dies bedeutet, dass wir noch drei weitere, etwa 10 minütige, Gebetspausen einlegen. 
Als wir dann abends so gegen 19:30 Uhr nach N'Djamena kommen geht an der ersten Brücke über den Fluss erst einmal gar nichts mehr. Am dem Kreisverkehr stehen wir eine geschlagene Stunde und ich mache mir mittlerweile ernsthafte Sorgen, ob ich meinen Flieger in drei Stunden erwischen werde, wenn das so weiter geht. Schließlich bewegt es sich aber doch und um 21:00 sind wir endlich and der Busstation angekommen. 
Olen hatte mir gesagt, dass das Taxi zum Flughafen via das Meridian Hotel etwa 10.000 CFA kosten würde. Da ich mir letzteres auf Grund der vorgerückten Zeit aber sparen kann, suche ich mein Kleingeld zusammen und gehe mit dem Angebot von 3000 CFA auf ein Taxi zu. Wir einigen uns schließlich auf 5000 CFA, sodass ich gegen halb zehn am Flughafen bin.


In der nicht sonderlich gemütlichen Cafeteria bestelle ich mir eine Fanta, gönne meinem Telefon eine kleine Ladung, packe meine Sachen etwas um und programmiere noch etwas an dem Pharmacy-Modul, dass Olen demnächst einführen möchte. 
Der Rest der Reise verläuft ohne weitere Zwischenfälle. Mein sehr interessanter österreichischer Sitznachbar erzählt mir von seiner Arbeit bei "Ärzte ohne Grenzen" und ich schaffe es sogar knapp zwei Stunden zu schlafen. 
So sind zwei Wochen wieder einmal viel zu schnell vergangen. 

Und jetzt? Wie geht es weiter?
Das sind Fragen, die im Moment noch offen sind. Eins ist aber sicher: ich möchte weiterhin demjenigen zur Verfügung stehen, der vor zweitausend Jahren sich unter widrigsten Umständen auf diese Welt kam, um sein ganzes Leben im Dienst für Andere zu verbringen und uns zu zeigen, dass sich nicht immer alles um uns selbst dreht!

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